Landwirtschaft: Wachstumsphasen verstehen

tl;dr: Bewertung der Wachstumsphasen von Vegetation mit Hilfe von Erdbeobachtungsdaten am Beispiel landwirtschaftlicher Flächen in der Feldberger Seenlandschaft.

Landwirtschaftliche Wachstumsphasen in der Region Bild: Landwirtschaftliche Wachstumsphasen in der Region

Seit über 50 Jahrzehnten werden Erdbeobachtungsdaten für landwirtschaftliche Anwendungen genutzt. Insbesondere die Beobachtung der Erde im Nahinfrarotbereich ist für die Untersuchung von Vegetation wichtig.

Aber wie funktioniert das eigentlich?

Die Antwort lautet: Normalized Difference Vegetation Index (NDVI)

Im einfachsten Sinne misst der Normalized Difference Vegetation Index (NDVI) das Grün und die Dichte der in einem Satellitenbild erfassten Vegetation. Gesunde Vegetation weist eine sehr charakteristische spektrale Reflexionskurve auf, die wir nutzen können, indem wir die Differenz zwischen zwei Bändern berechnen – sichtbares Rot und Nahinfrarot. NDVI ist die Differenz, ausgedrückt als Zahl – im Bereich von -1 bis 1.

Normalized Difference Vegetation Index (NDVI): Vegetation reagiert je nach Wachstumsphase und Zustand unterschiedlich in bestimmten Wellenlängenbereichen Bild: Normalized Difference Vegetation Index (NDVI): Vegetation reagiert je nach Wachstumsphase und Zustand unterschiedlich in bestimmten Wellenlängenbereichen

Der regelmäßig über Zeiträume berechnete NDVI einer Kulturpflanze oder Pflanze kann viel über die Veränderungen ihrer Bedingungen verraten. Mit anderen Worten: Wir können den NDVI verwenden, um die Pflanzengesundheit aus der Ferne abzuschätzen.

Wir betrachten zunächst ein Gebiet in der Nähe des Ortes Carwitz. In den folgenden 3 Aufnahmen sehen wir den NDVI für diese Region. Je kräftiger und dunkler das Grün, desto höher der NDVI.

NDVI: 27. März 2023 Bild: NDVI: 27. März 2023

NDVI: 26. Mai 2023 Bild: NDVI: 26. Mai 2023

NDVI: 19. August 2023 Bild: NDVI: 19. August 2023

Hier ist sehr gut erkennbar, dass die Vegetation im März vielerorts nicht besonders aktiv zu sein scheint. Im Mai jedoch steht alles in vollem Wachstum, da das gesamte Bild in ein sattes Grün getaucht ist. Im August sieht man sehr gut, dass sich einige Hellgrüne Ackerflächen deutlich von den dunkelgrünen abheben. Hier hat die Blüte eingesetzt bzw. die Felder wurden bereits abgeerntet.

Wir schauen uns jetzt 5 Felder genauer an. Die folgende Grafik zeigt die von 1 bis 5 durchnummerierte Felder. Im Falle von Feld 2 wissen wir, dass es ein Sonnenblumenfeld ist, im Falle von Feld 5 wissen wir, dass es sich um Grünland handelt.

Lage der Felder 1 bis 5 Bild: Lage der Felder 1 bis 5

Für diese 5 Felder haben wir nun den NDVI im zeitlichen Verlauf berechnet. Im EO Browser lassen sich solche Verläufe sehr gut als CSV Datei exportieren und in Python darstellen.

NDVI: Januar 2023 bis Januar 2024 Bild: NDVI: Januar 2023 bis Januar 2024

Anhand von wissenschaftlichen Artikeln (Momm et al., 2020) lässt sich sehr gut feststellen, dass die Trends von Feld 2 wie durch uns bereits geprüft dem von Sonnenblumen entsprechen, da die Blütephase relativ spät einsetzt. Der Trend von Feld 5 entspricht wie erwartet dem von Grünland. Im Falle von Feld 1 und Feld 4 können wir anhand des genannten Artikels die Vermutung aufstellen, dass dort Winterweizen angebaut wurde. Im Falle von Feld 3 gehen wir entsprechend den Ergebnissen einer anderen Publikation (Karimi et al., 2021) davon aus, dass es sich um mehrere Feldfrüchte nacheinander handelt: eine früh und eine spät blühende, da zwei Blütephasen erkennbar sind.

Wachstumsphasen und der NDVI

Die landwirtschaftliche Wachstumsphase lässt sich mit Hilfe des NDVI durch ein Skript im EO Browser bestimmen, das die multitemporalen NDVI-Trends in Sentinel-2-Bildern visualisiert. Es verwendet das aktuelle Bild als Basis und berechnet den durchschnittlichen NDVI für die letzten drei Monate. Das Skript berechnet die durchschnittlichen NDVI-Werte für jeden der drei Monate und wendet sie dann auf die RGB-Kanäle an. Die roten Felder im Bild weisen im ersten Monat hohe NDVI-Werte und in den anderen beiden niedrige NDVI-Werte auf. Rosa Felder weisen sowohl im ersten (roter Kanal) als auch im dritten (blauer Kanal) Monat hohe NDVI-Werte auf. Das folgende Bild überträgt diese Farbskala auf das Sonnenblumenfeld aus dem vorherigen Beispiel:

NDVI von Sonnenblumen: Januar 2023 bis Januar 2024. Die Farben zeigen beispielhaft die Farben des vorgestellten Skriptes entsprechend den unterschiedlichen Wachstumsphasen. Bild: NDVI von Sonnenblumen: Januar 2023 bis Januar 2024. Die Farben zeigen beispielhaft die Farben des vorgestellten Skriptes entsprechend den unterschiedlichen Wachstumsphasen.

Bezogen auf den vorher betrachteten Kartenausschnitt zeigen sich nun spannende Trends auf den unterschiedlichen Ackerflächen. Die Wachstumsphasen der unterschiedlichen Flächen sind durch die Farbskala gut zu unterscheiden.

Im Folgenden Bild zeigt sich die Stagnationsphase im März. Hier herrscht wenig Aktivität. Das Bild ist insgesamt sehr dunkel.

Wachstumsphasen im März 2023. Bild: Wachstumsphasen im März 2023.

Im Mai befindet sich hingegen alles im Starken Wachstum.

Wachstumsphasen im Mai 2023. Bild: Wachstumsphasen im Mai 2023.

Im August sind einige Felder bereits abgeerntet. Andere, wie z.B. unser Sonnenblumenfeld sind noch im Wachstum.

Wachstumsphasen im August 2023. Bild: Wachstumsphasen im August 2023.

Die ganze Region im Wachstum

Gehen wir mal systematisch vor und schauen uns ein paar Datensätze aus der Feldberger Seenlandschaft an. Wir beginnen mit einer Aufnahme vom 7. Februar 2023:

7. Februar 2023, Landwirtschaftliche Wachstumsphase Bild: 7. Februar 2023, Landwirtschaftliche Wachstumsphase

Das Bild ist überwiegend blau gefärbt. Das bedeutet, dass der NDVI im Trend steigt, da der Durchschnittswert in den Monaten November und Dezember deutlich niedriger war als im Januar. Auf dem nächsten Bild vom 7. März sehen wir etwas ganz anderes.

7. März 2023, Landwirtschaftliche Wachstumsphase Bild: 7. März 2023, Landwirtschaftliche Wachstumsphase

Da das Bild hier hauptsächlich grün gefärbt ist, scheint der Januar hier am stärksten zu wirken und der Februar eine geringere Wachstumsrate in der Vegetation aufzuweisen. Beide Bilder sind insgesamt sehr dunkel und enthalten viele schwarze Bereiche. Das bedeutet, dass sich der NDVI in den Wintermonaten nicht sehr stark ändert und die Vegetation eher stagniert. Im nächsten Bild wird es schon etwas bunter:

7. Juni 2023, Landwirtschaftliche Wachstumsphase Bild: 7. Juni 2023, Landwirtschaftliche Wachstumsphase

Hier, am 7. Juni, ist die Vegetation in einer Wachstumsphase. Der NDVI steigt. In den nächsten beiden Bildern von Mitte Juli und Anfang August wird es richtig bunt. Einige Vegetationsflächen sind in die Blütephase übergegangen oder eventuell von Trockenheit betroffen (gelb und rot). Manche Flächen befinden sich noch im Wachstum. Möglicherweise wurden auch schon Flächen gemäht (rot).

20. Juli 2023, Landwirtschaftliche Wachstumsphase Bild: 20. Juli 2023, Landwirtschaftliche Wachstumsphase

9. August 2023, Landwirtschaftliche Wachstumsphase Bild: 9. August 2023, Landwirtschaftliche Wachstumsphase

Zum Schluss noch eine Grafik aus dem Spätsommer: Anfang September geht das Bild ins rosa/violett. Dafür gibt es zwei Ursachen: Im Falle von Wäldern scheint die Vegetation sich vom Sommer zu erholen. Bei den Ackerflächen wachsen jetzt wieder Pflanzen bzw. die Vegetation.

8. September 2023, Landwirtschaftliche Wachstumsphase Bild: 8. September 2023, Landwirtschaftliche Wachstumsphase

Wie kann ich das nutzen?

Im Rahmen eines Workshops sollten wir tiefer in die Materie einsteigen, idealerweise mit Landwirt:innen und anderen Experten. Ganz allgemein kann man mit dieser Art von Daten sehr viel über die Vegetationsphasen lernen und auch gezielt Trockenperioden bzw. von Trockenheit betroffene Flächen erkennen. In der modernen Landwirtschaft wird diese Art von Technologie schon eingesetzt, um z.B. Bewässerung zu steuern.

Quellen:


Acknowledgements:
Contains modified Copernicus Sentinel data 2024 processed by Sentinel Hub

feldberg.space

Hackerspace & kreativer Freiraum in der Feldberger Seenlandschaft.


Die Landwirtschaft lässt sich sehr gut aus dem Weltall beobachten. Wir schauen uns das Pflanzenwachstum genauer an.

By gnurp, 2024-02-06